Lisa Reeves, Leiterin Interieur-Design bei Volvo Cars, erklärt, was die Elektromobilität für ihre Arbeit bedeutet, was der Volvo EX30 mit Espresso zu tun hat und wie sie überhaupt zu ihrem Beruf gekommen ist.
Lisa Reeves, wie sollen sich Menschen fühlen, wenn sie in einem Fahrzeug von Volvo sitzen?
Stellen Sie sich vor, Sie steigen ins Auto und spüren die Gemütlichkeit, Wärme und Sicherheit eines Zuhauses, aber auch eine Verbindung zur Natur. Einen hellen, luftigen Raum, der Sie mit Wärme und Komfort empfängt; einen beruhigenden persönlichen Raum, in dem Sie sich sicher fühlen. Skandinavische Designwerte wie Proportionen, Reinheit im Design, Natur als Inspiration und die Wertschätzung des Lichts tragen dazu bei, die Atmosphäre im Inneren unseres vollelektrischen Volvo EX90 zu schaffen.
Können Sie beschreiben, wie diese Atmosphäre entsteht?
Volvo ist eine menschenzentrierte Marke mit verantwortungsvollen Werten. Unsere Mission als Interieur-Designer besteht darin, Räume zu kreieren, die dazu beitragen, das Leben der Menschen zu bereichern. Die Räume müssen um die Funktionalität des Fahrzeugs herum geschaffen werden – so, dass es sich natürlich anfühlt. Die skandinavischen Design-Einflüsse wie die Verwendung von Licht und natürlichen, nachhaltigen Materialien erzeugen wiederum eine emotionale Reaktion. Im Wesentlichen geht es um Einfachheit und klare Linien, die Fahrerinnen und Fahrer sowie Passagieren ein Gefühl der Ruhe vermitteln.
Ausschliesslich Elektroautos bis 2030 – Volvo übernimmt bei der Elektrifizierung eine Vorreiterrolle. Was bedeutet das für die Gestaltung der Innenräume?
Die Elektrifizierung ist ein wichtiger Schritt zum Schutz unseres Planeten. Durch sie verändert sich das Layout der Fahrzeuge, sodass wir von einer besseren Raumausnutzung profitieren. Sie motiviert uns als Interieur-Designer aber auch dazu, Gewicht zugunsten der elektrischen Reichweite zu reduzieren und die CO2-Bilanz der Fahrzeuge zu verbessern, indem wir neue Prozesse mit nachhaltigeren und leichteren Materialien erforschen und die Komponenten intelligent einsetzen. Mag sein, dass das einige Leute als Herausforderung betrachten, aber ich sehe darin eine grosse Chance, erfinderisch zu sein.
Inwiefern ermöglichen Ihnen die Veränderungen, erfinderisch zu sein?
Als wir am Innenraum des Volvo EX90 arbeiteten, wurden wir mit Fragen konfrontiert wie: Was bedeuten Luxus und Wohlbefinden in einer modernen Gesellschaft? Und wie übersetzen wir die Sorge um unsere Kundinnen und Kunden sowie die Umwelt in neue Materialien? So sind wir darauf gekommen, ein progressives und leichtes Material namens Nordico zu entwickeln. Das Textil setzt sich unter anderem aus recycelten PET-Flaschen und Bio-Harz aus nachhaltigen Wäldern in Schweden und Finnland zusammen. Nordico ist unser zeitgemässer Ausdruck von skandinavischen Werten und setzt in Kombination mit zeitlosen, natürlichen Materialien wie Eschenholz und Wolle einen neuen Standard für hochwertiges Innenraumdesign. Das Naturholz wird jeweils in der gesamten Kabine mit einem stimmungsvollen Licht hinterleuchtet, um das Wohlbefinden bei Abenddämmerung zu steigern.
Kann der kleinere Volvo EX30 diesen hohen Ansprüchen ebenso gerecht werden?
Die Vorgabe für den EX30 war schlicht: ein typischer Volvo, aber konzipiert als «Espresso Shot». Dieses Auto vereint die besten Elemente des skandinavischen Designs. Recycelte und erneuerbare Materialien wie Denim, Flachs und Wolle verleihen dem Innenraum kreative Texturen, ausdrucksstarke Farben und eine eigene Persönlichkeit. Intelligente Funktionen und ein grossartiges Benutzererlebnis sind indes das Markenzeichen einer jeden echten Volvo Kreation. Zusammengenommen «destillieren» diese Elemente die Essenz von Volvo in ein kleines Paket.
Können Sie den Prozess des «Destillierens» etwas genauer erklären?
Das Kernthema beim EX30 lautet Zentralisierung. Durch die symmetrische Anordnung von Funktionen entlang der Mitte des Fahrzeugs erhalten die Passagiere leichteren Zugriff. Gleichzeitig reduziert sich dadurch der Bedarf an Kabelmaterial und vor allem CO2-intensiven, schweren elektrischen Komponenten. Ein gutes Beispiel hierfür ist die unter der Windschutzscheibe platzierte Soundbar, die mehrere Lautsprecher in einem Bauteil vereint und den gesamten Innenraum mit erstklassigem Sound erfüllt. Dadurch wird nicht nur der Verkabelungs- und Materialaufwand reduziert, sondern, da keine Lautsprecher in den Türen erforderlich sind, auch eine breitere Kabine mit mehr Stauraum ermöglicht. Im selben Zug haben wir die Fensterheberschalter in die Mittelkonsole verlegt, sodass sie für Fahrerinnen und Fahrer sowie Beifahrerinnen und Beifahrer leicht zu erreichen sind. Das Zentralisierungsthema wird im EX30 aber auch durch das 12,3 Zoll grosse Display repräsentiert, das in der Mitte des Armaturenbretts positioniert ist und alle relevanten Informationen bereithält. Durch die Zentralisierung kreieren wir ein Gefühl von Platz um die Passagiere herum und können gleichzeitig Material und Gewicht einsparen. Zusammengefasst bedeutet Zentralisierung, dass wir das Gefühl eines grosszügigen, hellen Raums schaffen und zugunsten der CO2-Bilanz Material und Gewicht einsparen.
Wie sieht es mit dem Platzangebot für die Fondpassagiere des EX30 aus? Werden sie die Gemütlichkeit eines skandinavischen Wohnzimmers dort vermissen?
Auch die Fondpassagiere haben wir nicht vergessen. Sie können etwa ihre Mobiltelefone in speziellen Taschen in den Vordersitzlehnen verstauen, während eine praktische Aufbewahrungsbox unter der Mittelkonsole herausgezogen werden kann. In der Heckklappe haben wir übrigens eine Grössenübersicht beigelegt – ideal, wenn Sie zerlegte Möbel kaufen und nicht sicher sind, ob der neue Tisch hineinpasst.
Gibt es weitere Designmerkmale, auf die Sie besonders stolz sind?
Um den Innenraum des EX30 aufzuwerten, bieten wir vier verschiedene Innenräume an, die einen nachhaltigen Umgang mit Materialien zeigen und alle ihren eigenen Ausdruck haben. Ein Raum, beispielsweise, greift den zeitlosen Reiz von Denim auf und integriert Restprodukte aus dem Denim-Recyclingprozess. Zu den weiteren Materialien gehört ein recycelter Kunststoff, der unter anderem aus alten Fensterrahmen hergestellt wird, sowie Flachs, eine erneuerbare Faser aus Leinsamenpflanzen. Ferner kombinieren wir verantwortungsvoll gewonnene Wolle mit 70 Prozent recyceltem Polyester und bieten einen Sitzüberzug mit strukturiertem Strickmaterial an, der recycelten Kunststoff enthält. Die Ästhetik der Materialien verleiht dem Fahrzeug Persönlichkeit und ist in Proportion und Harmonie perfekt ausbalanciert.
Was hat Sie überhaupt dazu bewogen, Interieur-Designer in der Automobilbranche zu werden?
Ich wuchs in einem Dorf in Gloucestershire auf und verbrachte den grössten Teil meiner Freizeit mit Zeichnen. Nichts hat mich zufriedener gemacht, als die Welt um mich herum zu skizzieren. Mein Vater war Ingenieur und Autoliebhaber, der Stunden in seiner Garage damit verbrachte, alte Fahrzeuge zu restaurieren, und wir gingen regelmässig zusammen auf Automessen. Daher war es für mich nur natürlich, diese beiden Leidenschaften zu verbinden, indem ich Transportation Design an der Coventry University studierte. Von dort an arbeitete ich in der Automobil-Designbranche und hatte Positionen bei verschiedenen Marken, ehe ich 2014 zu Volvo kam, wo ich 2020 die Leitung des Interieur-Designs übernahm.
Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten Spass?
Ich schätze mich glücklich, eine Karriere zu haben, die mir am Herzen liegt. Die Arbeit ist durch den Einsatz von VR-Brillen und Tonmodellen sehr vielfältig und das Team, mit dem ich zusammenarbeite, wirklich fantastisch. Wir geniessen es, gemeinsam Ideen auszutauschen und unserer Fantasie freien Lauf zu lassen. Es liegt in meiner Verantwortung, die Zukunft des Interieur-Designs von Volvo zu planen, aber auch die Kreativität anderer zu fördern. Jeder Tag bringt Neugier, Inspiration und neues Lernen mit sich. Die Werte der Marke, sinnvolles Design und die Frage, wie man durch Funktionalität und Zweck eine Art Intelligenz schafft, sind für uns eine grosse Motivation.