Der Naturfaserspezialist Bcomp ist ein führendes Unternehmen in der Entwicklung von Naturfaserverbundwerkstoffen mit Sitz im schweizerischen Fribourg. Bcomp verarbeitet Plastikabfälle aus den Weltmeeren mit der hauseigenen «powerRibs-Technologie» zu Verbundwerkstoffen. Die daraus hergestellten Autoteile machen nicht nur aus ökologischer Sicht Sinn, sie sind dazu auch noch um 50 Prozent leichter als die durch herkömmliche Methoden hergestellten Autoteile.

Herr Fischer, wie ist es zur Entwicklung von Naturfasern gekommen?
Das Unternehmen Bcomp ist ein typisches „Garagen-Start-up“: zwei Ingenieure tüfteln über Jahre an einer Technologie, um ultra-leichte Skis zu bauen. Die Lösung war ein naturfaserverstärkter Balsaholzkern. Parallel dazu haben wir mit diesen Naturfasern neue Verstärkungsmaterialien entwickelt, da wir Potential für den Leichtbau in viel grösseren Märkten – wie zum Beispiel der Automobilindustrie – sahen. Die Flachsfaser kombiniert beste mechanische Eigenschaften verbunden mit einer tiefen Dichte (also wenig Gewicht), was eine spannende Basis für ein Leichtbaumaterial schafft.
Was ist der Vorteil von Naturfasern gegenüber Kunststoff?
Naturfasern haben deutlich bessere mechanische Eigenschaften; verstärkt man den Kunststoff mit Naturfasern, kann man bei gleicher Leistung sehr viel Gewicht einsparen.
Werden auch Recycling-Materialien eingesetzt?
Grundsätzlich geht es beim Verbundwerkstoff-Ansatz immer darum, eine Verstärkungsfaser – in unserem Fall Flachs – mit einem Kunststoff zu kombinieren, um diesen zu verstärken. Es ist dabei durchaus möglich, einen Recycling-Kunststoff zu verwenden. Dies war auch genau die Aufgabe, die uns Volvo Cars im Rahmen des Volvo Ocean Race-Projekts gegeben hatte: Rezyklierten Plastik aus dem Meer mit unseren Materialien so zu verstärken, dass dieses Material für die Herstellung von Auto-Interieur-Bauteilen genutzt werden kann.
Welche Naturprodukte würden sich für diesen Einsatz ebenfalls eignen?
Der Flachs verfügt über die besten mechanischen Eigenschaften aller Naturfasern, die wir heute kennen. Aktuell prüfen wir auch die Hanffaser, da diese über ähnliche Eigenschaften verfügt. Es wird aber noch einige Zeit dauern, bevor die Wertschöpfunskette an diejenige vom Flachs anknüpfen kann.
Das „recycled plastics demonstrator vehicle“ war ein voller Erfolg, wie sieht die Zukunft aus?
Das Projekt bestätigt, dass unsere Technolgie einsatzbereit ist und dass damit beim Gewicht bis zu 40% und bei Plastik sogar bis zu 80% eingespart werden kann. Interieur-Teile wie die Mittelkonsole, Türabdeckungen oder auch die Instrumententafel sind Komponenten, für die unsere Materiallösung gut eingesetzt werden können. Ich kann noch nicht zu viel verraten, aber es wird sehr spannend.
Wo finden die Materialien sonst noch Verwendung?
Ursprünglich war der Sport- und Freizeit-Markt unser „Heimmarkt“; wir konnten unsere Materialien sehr schnell in der Ski-Industrie aber auch zunehmend im Wassersport (Surfing) etablieren. Vor einem Jahr haben wir den Schritt in die Motorsport-Industrie gemacht, wo wir mit unserer Materiallösung Carbon-Karosserieteile ersetzen. Unser Material bietet bei gleichem Gewicht dieselbe Performance, erlaubt aber signifikant Kosten zu sparen und erhöht die Sicherheit auf der Rennstrecke. Tatsächlich ist es so, dass unser Material keine gefährlichen Splitter generiert, die charakteristisch sind für Carbon. Aktuell arbeiten wir daran, unsere Motorsport-Lösung ebenfalls für Strassenfahrzeuge zu validieren, damit diese in den kommenden Jahren auch in Karosserieteilen von Sportwagen Verwendung finden können. Des Weiteren entwickeln wir seit mehreren Jahren superleichte Satellitenbauteile mit der Europäischen Luftfahrtorganisation (ESA).
Um wieviel Prozent leichter werden Bauteile durch die Verwendung von natürlichen Verbundstoffen?
Wir erreichen hier Gewichtseinsparungen von bis zu 40%.
Wäre es grundsätzlich möglich, ein ganzes Fahrzeug aus Naturfasern zu bauen?
Grundsätzlich ist es möglich, dieses wäre aber weder Kosten- noch Gewichts-effizient. Naturfasern sind für gewisse Anwendungen sehr gut geeignet, für andere aber nicht.
Ihr Firmencredo lautet «Play Naturally Smart”; was hat es damit auf sich?
«Play» bedeutet für uns, dass jeder Mitarbeiter mit einem Lächeln zur Arbeit erscheinen soll. Alle Bcomp-Angestellten teilen dieselbe Vision und glauben daran, dass wir einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Gesellschaft und eine Kreislaufwirtschaft leisten können. Jede und jeder hat eine klare Aufgabe, trägt Verantwortung und kann sich entsprechend einbringen. Es ist natürlich auch bei uns nicht immer alles «Heile Welt», aber die Grundstimmung ist sehr positiv, was uns hilft, täglich mit viel Motivation und Einsatz an den angestrebten Zielen zu arbeiten.
Unter «Naturally» verstehen wir unseren Ehrgeiz, die Welt mit unseren Produkten ein Bisschen besser zu machen. Wir können aufzeigen, dass wir im Vergleich zur Carbon-Verarbeitung (Karrosserieteile Sportwagen) 75% der CO2-Emissionen einsparen. Im Bereich der Automobil-Interieur-Anwendungen können wir das Gewicht um 40% reduzieren, was einem Total von über 80% eingespartem Plastik entspricht. Dazu kommt, dass weniger Gewicht den CO2-Ausstoss reduziert (bei Benzin-Motoren), und bei e-Autos einen positiven Einfluss auf die Reichweite hat.
Und den «Smart(en)» Teil übernehmen Forschung und Entwicklung. Auf welche Entwicklungen sind Sie besonders stolz? Es fällt mir schwer eine spezifische Entwicklung hervorzuheben. Die Tatsache, dass wir ein Team aufgebaut haben, das gleichzeitig und in kürzester Zeit Projekte mit der ESA, mit hochkarätigen Rennwagenherstellern aber auch mit führenden Automarken wie Volvo Cars planen und umsetzen kann, macht mich sehr stolz. Das Volvo Ocean Race-Projekt mit Volvo Cars war aber auf jeden Fall ein sehr wichtiger Meilenstein, der uns helfen wird, den Automobilmarkt mit unseren innovativen und nachhaltigen Leichtbaulösungen zu erobern.
Besten Dank für das Interview Christian Fischer.
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