Der Familienvater hat sich mit dem Bau eines alltagstauglichen Elektroautos seinen Lebenstraum erfüllt. Auf den ersten Blick unterscheidet das Auto von Michael Neuweiler (45) aus Maschwanden ZH nichts von einem normalen Volvo S80. Erst wenn der Software-Entwickler die Motorhaube öffnet, zeigt sich das wahre Herz des Fahrzeugs. Im Interview erzählt er die Geschichte seines Volvo S80.
Wann hatten Sie den Einfall, selber ein Elektroauto zu bauen?
Die Idee kam mir im Jahr 2013, als ich den Film “Who killed the electric car” (Anm. der Redaktion: “Warum das Elektroauto sterben musste”) gesehen habe. Da habe ich entschieden, dass ich das auch will. Die letzten Bedenken haben sich dann aufgelöst, als ich mich auf diversen Blogs erkundet habe und merkte: “Hey, es gibt noch andere, die das geschafft haben.”
Was war Ihre Motivation, ein Elektroauto zu bauen?
In der ganzen Welt finden viele Kriege aufgrund von Erdöl statt. Davon wollte ich mich distanzieren und unabhängig werden. Mein Geld fliesst so nicht mehr in fremde Länder, die dann in Ölkriege verwickelt werden.
Natürlich wollte ich auch der Umwelt etwas Gutes tun. Meinen Kindern habe ich erzählt, dass wir nun nie mehr eine Tankstelle besuchen werden; nur noch, um die Pneus mit Luft zu tanken. Ich habe ihnen erklärt, wie Solarstrom entsteht und warum dieser besser ist. Ich will meinen Kindern ein Vorbild sein – ihnen zeigen, dass man etwas erreichen kann im Leben, wenn man es nur will und dass jeder etwas zu einer Veränderung beitragen kann.
Sie sind vermutlich vorher immer kraftstoffbetriebene Fahrzeuge gefahren. Welche Vor-und Nachteile hat ihr elektrisch betriebener Volvo S80?
Ein Vorteil ist ganz klar der höhere Fahrkomfort. Das Auto ist viel ruhiger, zieht gut und macht rundum Spass zu fahren. Zudem ist es ökologisch, günstiger und zeigt den Menschen, dass Elektrofahrzeuge auch praktisch und schön sein können. Ausserdem habe ich mit meinem Volvo S80 eine Reichweite von 240 Kilometer, was für den Alltag völlig ausreicht.
Mir fallen beim besten Willen keine Nachteile ein (lacht). Was ich mir vorstellen kann ist, dass viele Leute am Anfang mit der “Reichweiten-Angst” zu kämpfen haben. Vermutlich wurden Hybride-Modelle deshalb ein logischer Zwischenschritt, weil man die Sicherheit hat, nirgends einfach stehen zu bleiben.
Ein konkreter Nachteil an meinem S80 ist, dass ich kein Schnelllader habe. Vielleicht rüste ich diesen aber noch nach…
Warum haben Sie sich nicht einfach ein Elektroauto gekauft?
Ich bin mich an den Komfort von grossen Autos gewöhnt. Die meisten Elektroautos, die es 2013 auf dem Markt gab, waren klein und hatten kaum Platz für eine Familie. Der Tesla S war zu dieser Zeit noch nicht auf dem Markt und man munkelte, dass es noch Jahre dauert, bis dieser in der Schweiz auf den Markt käme. Also habe ich entschieden, dass ich einen Eigenbau mache. Ich wollte einerseits mir selbst beweisen, dass ich das kann, andererseits wollte ich den Autoherstellern die Augen öffnen und zeigen, dass man auch Limousinen als Elektrofahrzeuge bauen kann.
Mit dem Volvo S80 habe ich eine schöne Plattform, mit der ich andere Menschen auch für Elektromobilität begeistern und sie so auf das Thema aufmerksam machen kann.
Ich lasse Interessierte auch immer mit dem Auto fahren. Sie sollen spüren, wie toll das Gefühl ist und so motiviert sein, sich für Elektromobilität einzusetzen.
Warum haben Sie sich dazu entschieden, einen Volvo umzubauen?
Einer der Blogs, der mir beim Umbau sehr geholfen hat, war evtv.me. In einem der Videos wird einem geraten, ein Auto zu nehmen, in dem man sich wohlfühlt, das einem das Gefühl von Sicherheit gibt und in dem man genug Platz für eine Familie hat. Da wir bereits einen Volvo V50 (allerdings Diesel) als Familienwagen hatten und sehr zufrieden waren, habe ich mich entschieden, einen Volvo umzubauen. Nicht zuletzt habe ich ein tolles Auto relativ günstig bekommen, da der Motor bereits viele Kilometer hatte. Da ich diesen aber sowieso nicht brauchte, war das für mich ideal.
Einen Lift habe ich gekauft und bei einem Landwirten in eine Scheune eingebaut. Mit einigen Tipps und Tricks der Albin Herzog AG in Ottenbach war der Motor schnell draussen – der Umbau konnte losgehen.
Der Umbau hat insgesamt 3 Jahre gedauert. Was war beim Eigenbau die grösste Herausforderung?
Für den Elektromotor brauchte ich einen Adapter, den ich am bestehenden Getriebe anbringen musste. Wie ich diese beiden Teile zusammenbringen sollte, war mir ein Rätsel, deshalb würde ich dies als grösste Herausforderung bezeichnen. Ich hatte da zum Glück tolle Menschen (z.B. bei der Klaus Fahrzeugtechnik und Huber Fahrzeugausbau), die mich unterstützten, so dass im Endeffekt trotzdem alles geklappt hat.
Weiter hatte ich Respekt vor dem Strassenverkehrsamt und davor, ob ich alles so abnehmen lassen konnte. Am Schluss habe ich sogar ein Kompliment vom Prüfer erhalten, dass mein Volvo der schönste Umbau sei, den er je gesehen habe. Das hat mich extrem stolz gemacht.
Was ist für Sie das schönste an der Elektromobilität?
Das Fahrgefühl mit einem Elektroauto ist schlicht und einfach wunderbar und macht mir inzwischen wirklich unendlich Spass. Wenn ich ab und an mit dem Volvo V50 Diesel fahre, merke ich erst wieder, wie laut der Motor ist. Mit meinem S80 gleite ich mit kaum merklichen Vibrationen über die Autobahn.
Der Höhepunkt war der Moment, in dem ich das Auto aus der Garage fahren konnte und nur das Knirschen vom Kies unter den Rädern gehört habe.
Wie teuer war der Umbau ungefähr?
Der Umbau hat mich alles in allem ungefähr CHF 45’000 gekostet, inklusive dem Fahrzeugkauf.
Was denken Sie: Wie wird sich die Mobilität in Zukunft verändern?
Ich hoffe natürlich aus geopolitischen Naturgedanken, dass sich die Elektroautos durchsetzen. Ich gehe davon aus, dass in 10-15 Jahren mehr Solardächer in der Schweiz montiert sind – dann werden hoffentlich auch Elektroautos häufiger als Batteriespeicher verwendet. Sprich: Überschüssige Energie geht so nicht verloren, sondern wird dazu verwendet, das Auto zu laden und bei Bedarf wieder einzuspeisen.
Auch Lastwagen und landwirtschaftliche Geräte sollten elektrifiziert werden. Im Allgemeinen könnte so viel Lärm und Dreck vermieden und die Versorgung mittel- und langfristig sichergestellt werden. Kurz gesagt: Alle kraftstoffbetriebenen Fahrzeuge sollen elektrifiziert werden.
Zudem fürchte ich ehrlich gesagt ein wenig um die deutschen Hersteller; einzig BMW scheint sich um die Elektromobilität ernsthaft Gedanken zu machen. Die Initiative von Volvo, ab 2019 nur noch Fahrzeuge zu bauen, die zumindest einen Elektromotor haben, finde ich deshalb besonders vorbildlich.
Haben Sie weitere Projekte im Bereich Elektromobilität geplant?
Im Moment nicht. Ich möchte die Zeit mit meiner Familie geniessen, die mussten schon eine Zeit lang auf den Papa verzichten. Wenn allerdings jemand anfragen würde, der Hilfe oder Beratung beim Eigenbau braucht, dann helfe ich gerne. Ich will einen weiteren Umbau nicht ausschliessen – nur nicht gerade jetzt.
Zum Schluss: Würden Sie jemals wieder auf ein Kraftstoff betriebenes Fahrzeug wechseln?
Nein. Wirklich nicht mehr. Der Diesel, den wir haben, ist das letzte Auto, das mit Kraftstoff fährt – das war es dann für uns. Wir verschreiben uns voll und ganz der Elektromobilität. Wenn die Kinder fragen: “Mit welchem Auto fahren wir heute?” und ich dann “mit dem Elektroauto” antworte, kommt auch heute immer noch ein begeistertes “Jeeeeh!” oder “Yessss!” als Reaktion. Oder sie verlangen es gleich von Anfang an.