In Rapperswil-Jona, zwischen zwei Kreuzungen, befindet sich das Rare Street Coffee. Es ist selbst eine Kreuzung zwischen italienischer Café-Bar, Racing-Lounge und schwedischer Fika.
Eigentlich stellt man sich unter einem Café, das schwedische Back-Spezialitäten anbietet, eher ein falunrotes Häuschen mit hellem Interieur vor. Das Rare Street Coffee ist das Gegenteil: Die ehemalige Tankstellen-Garage hat dunkle Wände, schwere Ledersessel, während mitten im Lokal zwischen Blech-Tischen und Regie-Stühlen, neben alten Motorrädern, auch ein Rennwagen steht. Auf der Toilette wähnt man sich wie in einem Racing-Kult-Streifen, inklusive coolem Soundtrack. Man hat das Gefühl, eher in einem trendigen Strassen-Café in Brooklyn zu sitzen als in Rapperswil-Jona, zwischen zwei Kreuzungen und einem Bahnübergang.
Duftnoten: Zimt und Kardamom
Rein optisch entspricht das Rare Street Coffee gar nicht dem Klischee eines schwedischen Cafés. Bis es anfängt zu duften: nach Zimt, nach Kardamom – kurz nach Fika, der typisch schwedischen Kaffeepause. Dafür verantwortlich ist Paula Andersson, die hier seit Mai des letzten Jahres schwedische Spezialitäten wie Kanelbullar, Semla, Kardamom-Buns und weitere Leckereien täglich frisch zubereitet. «Ich bin nicht gelernt, ich bin leidenschaftlich», lacht die sympathische Schwedin. Denn eigentlich ist Paula Andersson ausgebildete Masseurin und Aromatherapeutin. Kein Gegensatz: Wie die 56-Jährige aus geknetetem Teig duftende Leckereien entstehen lässt, könnte man auch als Symbiose beider Berufe bezeichnen.
Offen seit 2016
Im Rare Street Coffee halten Frühaufsteher ab sieben Uhr morgens für einen Kaffee mit Zimtschnecke an der riesigen Holzbar, die Scout Dean Behrens zusammen mit seinem Grossvater gebaut hat. Seit sieben Jahren führt Scout das Rare Street Coffee. Und das, obwohl er erst 23 Jahre alt ist. «Ich wollte nach der Schule ein Jahr lang etwas Eigenes ausprobieren, bevor ich wieder die Schulbank drücke. Als mein Vater vor sieben Jahren mit seiner Werbeagentur von Zürich nach Rapperswil in diese ehemalige Tankstellen-Garage gezogen ist, fragte ich ihn, ob ich vorne ein eigenes Café eröffnen könnte.»
Surfer-Handshake
Aus dem Zwischenjahr ist eine Erfolgsstory geworden – ein Ausflugsziel für viele aus der ganzen Schweiz. «Ich wollte ein Restaurant, das so eingerichtet ist wie ein geschmackvoller ‹man cave›. Was ich hier anbiete, ist das, was ich selbst auch am liebsten habe», erzählt Scout über sein Lokal, das er mit viel Herzblut führt. Jeden Gast begrüsst der 23-Jährige persönlich mit einem coolen Handshake. Das ist hier keine Attitüde, sondern ein Lifestyle. «Ich gehe jedes Jahr mit meinem Vater Tom für zwei Wochen nach Kalifornien zum Surfen. Ins Rare Street Coffee wollte ich ein bisschen von diesem Flair mit einbringen.»
Schwedischer Lebensstil
Dass es ausgerechnet im Rare Street Coffee schwedische Backwaren gibt, ist kein Zufall. Scouts Mutter ist nämlich halb Schwedin. Von seiner Mutter hat er nicht nur die Liebe zu schwedischen Backwaren, sondern auch den schwedischen Lebensstil. So reist die Familie Behrens regelmässig nach Småland, wo sie ein Ferienhaus besitzt.
Auf der Suche nach dem besten Kaffee
Eher zufällig kam Paula ins Rare Street Coffee. «Eigentlich wollte ich noch vor einem Jahr meine eigene schwedische Bäckerei eröffnen. Ich war kurz davor, einen Mietvertrag zu unterschreiben. Auf der Suche nach einem guten Kaffee sagte mein Mann, dass es im Rare Street den besten weit und breit gebe.» So kam es zur ersten Begegnung zwischen Scout und Paula. Sie war sofort begeistert von Scouts Signature-Kaffeemischung. Sie fragte aber direkt: «Warum bietest du keine Zimtschnecke an?» Denn in Schweden gehört die Zimtschnecke einfach zur Kaffeepause. «Ja, warum eigentlich nicht?», sagte sich Scout. Nach der ersten Verkostung von Paulas Backkunst war für ihn klar: «Vergiss deine Bäckerei, du musst ganz zu uns kommen.» Und so kam es, dass Paula ihren Mietvertrag nicht unterschrieb und seither täglich frisch im Rare Street Coffee ihre Spezialitäten backt und damit noch mehr Gäste anzieht.
Der Star im Café
Weil Paulas schwedische Backstube so gut angekommen ist, wurde sie von Scout nach den Weihnachtsferien mit einer neuen Backtheke überrascht, die ein bisschen an eine Showbühne erinnert. «Weil sie für uns der Star ist», zwinkert Scout. Es ist eine Win-Win-Win-Situation: Für Scout, für Paula und für die Gäste, die ihr Gebäck lieben. Nicht nur die schwedische Community, die hier öfters anzutreffen ist. «Ich gebe den typisch schwedischen Spezialitäten einen persönlichen Twist», verrät Paula ihr Geheimnis.
Denn länger als in Schweden, wo sie in Helsingborg aufgewachsen ist, wohnte Paula in anderen Ländern wie etwa Zypern, Italien, England, Kanada oder Neuseeland, bevor sie 2007 mit ihrer Familie in die Schweiz kam. Seit sie hier wohnt, fährt Paula Andersson ausschliesslich Volvo: «Natürlich, er kommt ja aus meiner Heimat», lacht die Südschwedin. Kreativ wie Paula ist, hat sie all ihren Volvo Namen gegeben: «Der erste war Gülann (ein goldener Volvo), dann ein Weisser, den ich Vito nannte, dann Blacky, weil er schwarz war und danach ein brauner, den ich Bruno taufte. Jetzt fahre ich einen schwarzen Volvo XC60 Recharge, den ich ‹Elvis› nenne. ‹El› steht für Electris und ‹vis› für clever.» Wenn das mal kein guter Slogan ist. Und schon muss Paula wieder zurück hinter ihre Backtheke, wo bereits das nächste Backblech mit Rare Cinnamon Buns, wie die Zimtschnecken hier heissen, auf sie warten.