Weltweit müssen Städte neue Wege gehen, um ihre Klimaziele zu erreichen. Göteborg macht heute schon Nägel mit Köpfen, wie unser Besuch in der «Green City Zone» zeigt.
Was, wenn Klimaprojekte gemeinschaftlich vorangetrieben würden? Wenn sich wissenschaftliche Erkenntnisse und wirtschaftliche Realitäten nicht konkurrenzieren, sondern sich gegenseitig befruchten würden? Und was, wenn die grüne Stadt der Zukunft nicht nur in futuristischen Szenarien auf Bildschirmen existiert, sondern bereits heute konsequent vorangetrieben würde?
In Göteborg, der skandinavischen Vorzeigestadt in Sachen Nachhaltigkeit, ist eine solche Vision bereits seit 2021 mehr als nur Wunschdenken. In der «Gothenburg Green City Zone» hat die Zukunft tatsächlich längst begonnen. Hier werden vollständig klimaneutrale Verkehrssysteme entwickelt, die Göteborg seinem Ziel näher bringen sollen, bis 2030 einen zu 100 Prozent emissionsfreien Verkehr zu erreichen.
Dafür werden Innovationen getestet, bewährte Lösungen erweitert und neue Ideen ausprobiert. Das Wichtigste bei diesem Projekt sei das Miteinander, erklärt uns Jonas Eriksson von der Business Region Gothenburg im Gespräch vor Ort: «Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, dem öffentlichen Sektor, Einwohnern, Hochschulen und Instituten ist in dieser Form einzigartig», so Eriksson.
Gemeinsam würden Gedanken und Ideen ausgetauscht, an allen Fronten und bei allen Projekten werde zielgerichtet darauf hingearbeitet, in möglichst kurzer Zeit das Verkehrssystem von morgen zu schaffen. Jonas Eriksson: «Genau dieses Miteinander zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlichen Akteuren ist der Motor für eine fantastische Entwicklung.
Sie ist der Schlüssel für den Erfolg der Region Göteborg als globalen Hotspots für Innovation – und sie macht die Stadt zur Vorreiterin für ein nachhaltiges Wachstum.»
Induktives Laden mit Volvo
Tatsächlich ist Göteborg zu einem Vorbild für die grüne Stadt von morgen geworden. Innerhalb der Green Zone wird die gesamte Infrastruktur als Testfeld für nachhaltige Projekte genutzt. Dazu gehören die Entwicklung von neuen Technologien für Fahrzeuge und das Neudenken von Infrastrukturen vor Ort genauso wie Innovationen, die global angewendet werden können. Ein Beispiel dafür ist der Versuch mit dem induktiven Laden von Elektroautos. Für dieses Projekt wurden vier Volvo XC40-Recharge-Taxifahrzeuge mit speziellen Ladeplatten ausgerüstet, die an den Stationen eines Anbieters von kabellosen elektrischen Ladesystemen gänzlich ohne Kabel geladen werden können. Das Prinzip ist simpel: Sobald der vollelektrische Volvo XC40 Recharge über einer in den Boden eingelassenen Platte parkt, startet der Ladevorgang ganz automatisch. Über ein sogenanntes Pad sendet die Station Energie an den Empfänger im Auto. Das Fahrzeug wird mit mehr als 40 kW Leistung versorgt – viermal so schnell wie bei 11-kW-Wechselstrom-Ladegeräten.
Wer mit der Ladetechnik von Elektroautos noch ungeübt ist, darf sich auf diese Innovation freuen. Denn vor Ort funktioniert das kabellose Laden genauso einfach wie beim Smartphone. «Die 360°-Kamera von Volvo positioniert das Auto perfekt auf der Ladeeinheit und garantiert ein optimales Laden», erklärt uns Robert Eriksson von Volvo Cars. Insgesamt sind in Göteborg vier induktive Ladestationen an zwei Standorten in Betrieb. Dank ihnen sind die vollelektrischen Volvo Taxis mehr als zwölf Stunden pro Tag im Einsatz und legen jährlich über 100 000 Kilometer zurück. Abgerechnet wird der verbrauchte Strom direkt über die Seriennummer der Ladeplatte. «Unser Test zeigt, dass kabelloses Laden einwandfrei funktioniert», sagt Eriksson.
Dass Innovationen in Göteborg getestet und im besten Fall in die gesamte Welt exportiert werden, ist alles andere als Zufall. Typisch für die schwedische Hafenstadt ist ein fortschrittliches Geschäftsklima, das durch Offenheit und Freude an Neugestaltung geprägt ist. An der schwedischen Westküste existiert diesbezüglich eine lange Tradition – gepaart mit dem Wunsch, die Welt zum Besseren zu verändern. Dabei müssen sich Innovation und Profit nicht ausschliessen, ganz im Gegenteil. Denn die Projekte der Green City Zone sollen nicht nur die Umwelt schonen, sie sollen auch zu einem profitablen Geschäft werden.
«Die Welt besser machen»
«Wir sind keine Träumer», sagt Jonas Eriksson. Nicht umsonst sei die Businessregion Göteborg Initiator der Green City Zone, zusammen mit Volvo Cars und RISE. Die Wirtschaftlichkeit der Projekte sei immer ein Faktor, und die Green City Zone stets auf der Suche nach neuen Mitgliedern und Investoren. Darf jedes Unternehmen mitmachen? «Solange es sich unserer Maxime verschreibt, die Welt besser und sauberer zu machen – ja», sagt Eriksson. Denn das Ziel der Green City Zone beschränke sich nicht auf Göteborg. Treibhausgasemissionen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen müssen verringert werden. Dabei spielt das städtische Umfeld eine zentrale Rolle; zumal es in den USA und Europa je über 300 Städte von der Grösse Göteborgs gibt, die von den Innovationen der Green City Zone profitieren könnten. «Unsere Lösungen sollen als Inspiration dienen und in anderen Städten umgesetzt werden», sagt Eriksson. Zum Beispiel in der Schweiz? Er lacht: «Ja – auch in der Schweiz!»
Weitere Projekte der Green City Zone
Bidirektionales Aufladen
Das neue Gemeinschaftsprojekt PEPP (Public EV Power Pilots) untersucht, ob Fahrzeuge als Energiespeicher zum Ausgleich der Stromnetze eingesetzt werden können. In zwei bevorstehenden Tests wird das Projekt die Möglichkeiten erforschen, indem es parkierte Autos in einem Parkhaus und einen Fahrgemeinschaftsservice nutzt.
Green-Hub-Initiative
Ein weiteres Projekt der Green City Zone ist die Green-Hub-Initiative des technischen Dienstleisters Bravida im Zentrum der Stadt. Bei Green Hub handelt es sich um einen emissionsfreien Transport des Servicepersonals durch den Einsatz von Mikromobilität. Ergänzend zu Autos und Transportern kommen E-Bikes, E-Mopeds, Velos oder die Füsse zum Einsatz.
Co-Loading-Hubs für Event District
Das Projekt REDIG bereitet ein fossilfreies Logistiksystem für den Event District in Göteborg vor. Ein System regionaler Güterverkehrsknotenpunkte gibt den Unternehmen in der Region die Möglichkeit, Güter zu bündeln und zu konsolidieren. Das reduziert den Verkehr massiv und erhöht gleichzeitig die Flächeneffizienz.
Elektrische Busse
Seit der Lancierung der Green City Zone 2021 sind rund 200 elektrifizierte Volvo Busse auf den Strassen der Stadt unterwegs. Wenn eine Busbatterie ausgetauscht werden muss, wird sie für die statische Energiespeicherung wiederverwendet. So werden ehemalige Busbatterien bereits heute zur Speicherung von Solarenergie für Wohnanlagen verwendet.
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